In der Videodokumentation „Zwei sozialistische Systeme … große Differenzen im Denken und Leben“ befragt Oliver aus Berlin Ricardo Fonseca zu seiner Flucht nach dem Putsch in Chile 1973 und seiner Ankunft sowie seinem neuen Leben in der DDR.
Da die DDR ein geschlossener Staat war, liegt die Vermutung nahe, dass es dort keine Migration gab. Trotz der Mauern und der staatlichen Kontrolle gab es aber Migrant*innen, die den Weg in oder aus der DDR fanden. Doch aus welchen Gründen und wie?
Flucht und Vertreibung in die DDR
Nach dem Zweiten Weltkrieg zogen Deutsche und Volksdeutsche aus Osteuropa in Richtung Westen und fanden auch in der DDR ihre neue Heimat. Rund ein Viertel der Bevölkerung machten „Umsiedler“ oder auch „Neubürger“ zu diesem Zeitpunkt aus.Flucht aus der DDR
Aufgrund der politischen Situation zogen bis zum Mauerbau 1961 rund drei Millionen DDR-Bürger*innen in die BRD. Auch nach dem Mauerbau verließen noch viele Bürger*innen das Land auf illegale Weise. Die Wege zu fliehen waren teilweise sehr gefährlich und trennten Familienmitglieder voneinander.Arbeitsmigration in die DDR
Durch die vorangegangene Abwanderung herrschte in der DDR ein großer Arbeitskräftemangel. Um diesen auszugleichen, schloss die Regierung mit anderen sozialistischen Bruderstaaten Abkommen ab. Zu Beginn waren es Polen und Ungarn, später kamen noch außereuropäische Länder hinzu. Vertragsarbeiter*innen reisten aus Vietnam, Mosambik, Kuba, der Demokratischen Volksrepublik Jemen, Nicaragua, Algerien, China, der Mongolei und Angola in die DDR ein. Diese bildeten den größten Anteil an Migrant*innen in der DDR. Ihre Aufenthaltserlaubnis war jedoch auf einige Jahre begrenzt (zwei bis fünf Jahre), weshalb sie danach wieder in ihr Heimatland zurückkehren mussten. Nur in Ausnahmefällen gab es die Möglichkeit den Aufenthalt zu verlängern. Offiziell kamen die Arbeiter*innen zu Aus- und Weiterbildungszwecken und sollten nach dem Aufenthalt in der DDR Aufbauhilfe in den sozialistischen Bruderländern leisten. Meist waren die Arbeiter*innen in Betrieben angestellt und bekamen ihren Lohn dort nicht direkt ausgezahlt, da dieser an die Regierungen der jeweiligen Bruderstaaten ausgezahlt wurde.
Quelle: Bundesstiftung Aufarbeitung, Harald Schmitt, Bild Schmit344

Quelle: Bundesstiftung Aufarbeitung, Harald Schmitt, Bild 89_1206_WIF_IFA_17
Asyl in der DDR
Der Anteil an politischen Geflüchteten in der DDR war eher gering. Diese kamen meist aus Griechenland. Hier handelte es sich beispielsweise um Eltern oder deren Kinder, die kommunistischen Bewegungen angehörten oder Partisanen waren. Asyl erhielten darüber hinaus Geflüchtete des Bürgerkrieges in Spanien oder Asylsuchende nach dem Putsch des chilenischen Präsidenten Salvador Alende.
Quelle: Bundesstiftung Aufarbeitung, Klaus Mehner, Bild 78_0818_POL_Asyltour_05

Quelle: Bundesstiftung Aufarbeitung, Klaus Mehner, Bild 78_0818_POL_Asyltour_08
Studium in der DDR
Das Studium in der DDR hatte in den sozialistischen Bruderstaaten einen sehr guten Ruf. Aus diesem Grund stellten viele Studierende aus jenen Staaten einen Antrag, um in der DDR ein Studium aufzunehmen. Dies wurde nur ein paar wenigen mit sehr gutem Schulabschluss gewährt und sie erhielten dafür ein Auslandsstipendium. Da sie meist aus wirtschaftlich ärmeren Ländern einreisten, erfolgte die Einreise häufig auf korrupte Art und Weise und es gab viele Profiteure.Migration war in der DDR nicht offensichtlich präsent. Da die DDR ideologisch ein homogener Staat war, wurde auch wenig über das Thema Migration geredet. Dies erschwerte es den eingereisten Vertragsarbeitenden enorm, an der Gesellschaft teilzunehmen. Sie wurden in Gemeinschaftsunterkünften mit engem Wohnraum, getrennt von der DDR-Bevölkerung, abgeschottet. Auch der Kontakt zu DDR-Bürger*innen wurde untersagt und Liebesbeziehungen waren verboten. Wurde eine Frau mit ausländischer Staatsbürgerschaft schwanger, wurde sie mit sofortiger Wirkung in ihr Heimatland abgeschoben. Viele Arbeitsmigrant*innen machten in dieser Zeit außerdem Erfahrungen mit rassistischen Äußerungen und Übergriffen.

Quelle: Bundesstiftung Aufarbeitung, Günther Bersch, Bild Bersch-003-A032-2017
Nach der Wende
Nach dem Fall der Mauer verloren die Verträge von Vertragsarbeiter*innen mit den sozialistischen Bruderstaaten ihre Gültigkeit und der Anspruch auf einen Arbeitsplatz wurde aufgehoben. Somit musste der Großteil der Vertragsarbeiter*innen wieder in ihr Heimatland zurückreisen und es blieben nur wenige. Um doch weiter in Deutschland bleiben zu können, gab es viele Hürden zu überwinden. Erst 1997 wurden die ehemaligen „Vertragsarbeiter“ rechtlich mit Arbeitsmigrant*innen gleichgestellt.Wissenscheck
- Aus welchen Gründen fand die Zuwanderung aus den sozialistischen Bruderländern statt?
- Wie wurden die Migrant*innen von der Bevölkerung in der DDR damals aufgenommen?
- Was passierte mit den zugewanderten Menschen in der DDR nach der Wende 1989?